Süddeutsche Zeitung
20. September 2019, 18:06 Uhr
Jagerhansl
Mikrokosmos mit drei Tischen
Löwen-und FC-Bayern-Fahne in friedlicher Koexistenz. (Foto: Stephan Rumpf)
In einer Stadt voll durchgestylter Bars ist die Boazn „Jagerhansl“ erfrischend normal – hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Egal, zu welcher Uhrzeit man an der Kneipe „Zum Jagerhansl“ vorbeiläuft, sie scheint immer geöffnet zu haben. Selbstverständlich handelt es sich dabei nur um eine dieser gefühlten Wahrheiten, denn auch die Boazn in der Maxvorstadt hat täglich ein paar Stunden zu, um sauber zu machen und Bestände aufzufüllen. Lokale, in denen Gäste schon um acht Uhr morgens willkommen sind, werden in München immer seltener – wenn man will und so lange durchhält, bekommt man im Jagerhansl nachts um 2 Uhr das letzte Bier.
Tagsüber findet man meist problemlos einen Platz an einem der drei Tische, am Tresen oder bei gutem Wetter auch draußen und wie in vielen anderen Boazn wird man auch hier nicht schief angeguckt, wenn man einfach nur alleine und in Ruhe ein Bier trinken will. Die Uhrzeit ist dabei völlig egal – leben und leben lassen. Wenn aber Fußball gezeigt wird, dann sollte man je nach spielendem Verein mindestens eine halbe oder ganze Stunde vor Anpfiff da sein, um noch einen Platz in der kleinen Eckkneipe zu ergattern. Im Jagerhansl ist man weder rot noch blau, FC-Bayern-Fans dürfen genauso hierher kommen wie Löwen-Anhänger. Auch mit Freunden, die den jeweils anderen Klub unterstützen, lässt sich in der Kneipe deshalb friedlich Fußball schauen. Was dabei nicht fehlen darf – vor allem wenn es auf dem Spielfeld gerade mal wieder spannend wird – ist natürlich Bier. Auf der Karte stehen Paulaner Helles (2,70 Euro) und Paulaner Weißbier (2,90 Euro) vom Fass und auch ein Schnitt (1,80 Euro) steht auf der Karte. Augustiner Helles aus der Flasche findet man dort zwar offiziell nicht, aber auch das bekommt man auf Nachfrage. Und was so mancher hippe Barbetreiber gerade erst wieder für sich entdeckt, ist im Jagerhansl seit jeher Standard: das Rüscherl, sei es klassisch mit Asbach und Cola oder abgewandelt mit Wodka, Bacardi oder Orange (3,50 Euro). Auch in der Boazn geht man zwar mit der Zeit und es gibt Gin Tonic (5,80 Euro) und Jägermeister mit Red Bull (8,80 Euro), aber Chantré und Underberg (2cl für je 2,40 Euro) werden doch deutlich öfter bestellt.
Das Jagerhansl ist wie viele andere Münchner Boazn ein kleiner Mikrokosmos, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint: Die Bedienung kennt die meisten Stammgäste mit Namen, wenn einer von ihnen mal knapp bei Kasse ist, muss der Bierdeckel im Notfall auch nicht gleich bezahlt werden. Manchmal ist der Umgangston ein bisschen rauer, aber eigentlich wollen alle, die hier vor ihrem Bier sitzen, bloß ihre Ruhe. In einer Stadt voll durchgestylter Bars ist solch ein Ort herrlich erfrischend – zumal die meisten von denen Fußball auch nur noch zu Großevents wie der Weltmeisterschaft übertragen.
Adresse: Augustenstraße 107 | 80798 München | Telefon: 089/52350896 |Öffungszeiten: Täglich 8 bis 2 Uhr
Original Link finden Sie hier